Als ich 2002 meine ersten Gehversuche als Texter im Internet machte, war ich sowas wie ein Exot. Online-Redaktionen gab es so gut wie gar nicht, mit Social Media beschäftigte sich niemand wirklich. Facebook, Twitter und Co. kamen erst einige Jahre später dazu und der Content-Marketing-Hype noch sehr viel später.

Heute wird das Netz mit Ratgeber-Seiten und Tipps überflutet. Doch wer soll das alles lesen, was täglich produziert wird? Und wie soll Google das bewerten, wenn jeder nur noch „Inhalte mit Mehrwert“ schreibt? Wo geht die Reise hin mit uns Web-Textern? Ich werfe einen Blick in die Glaskugel.

Mehrwert, Mehrwert, Mehrwert

Es gibt kaum einen Ausdruck, der mir in den vergangenen Jahren mehr auf den Keks gegangen ist als: „Schreibe Texte mit Mehrwert“. Hallo? Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein! Immer schon gewesen sein. Nur weil ihr aus der SEO-Szene jahrelang sinnlose Texte fabriziert habt, die nur einen Sinn hatten: Bei Google möglichst weit nach vorne zu kommen. Der Inhalt war zweitrangig. Und so sah er dann auch aus.

Jetzt bekommen die vielen, vielen Web-Texter gesagt, die für ein paar Cent pro Wort Inhalte am Fließband produzieren, dass ihre Artikel einen Mehrwert haben müssen. Und natürlich gibt es unzählige Ratgeber darüber, wie der denn auszusehen hat. Es werden Texte gesucht, die perfekt informieren, eine Prise Humor besitzen und unterhaltsam sind. Kurzum besser sind als alles, was es zu diesem Thema bisher zu lesen gibt.

Doch ist das wirklich so? Ist die 25. Anleitung zum Fliesenlegen wirklich besser als die Erste?

Auf der einen Seite sicherlich, schließlich hatte der Erste keine Möglichkeit, sich irgendwo zu orientieren. So haben es die Nachahmer einfacher und können sich das Beste aus allen Quellen zusammensuchen und die Fliesenleger-Anleitung immer ausführlicher und besser gestalten. Das Gleiche gilt natürlich für alle Bereiche – vom Reisebericht bis zur Produktbeschreibung in einem Onlineshop.

Da stellt sich mir die Frage:

  • Wird jeder Beitrag irgendwann so ausführlich wie eine Doktorarbeit?
  • So spannend wie ein Krimi?
  • So unterhaltsam wie das frühe „Wetten, dass?“.
  • So lustig wie die Louis de Funès Filme in den 70ern?

Nur, um diesen Mehrwert gegenüber anderen zu bieten, die bereits ähnliches ins Netz gebracht haben? Der Trend geht momentan tatsächlich dahin. Klingt super für alle Web-Texter, denn endlich werden sie gefordert.

Das Problem – nicht in jedem steckt ein Bestseller-Autor. Ganz zu schweigen davon, dass niemand  den Aufwand bezahlen möchte, der zwangsläufig mit solchen ausführlichen, perfekt formulierten und recherchierten Texten einhergeht.

Denn schließlich geht es doch „nur“ um Texte, die in den meisten Fällen sogar noch kostenlos gelesen werden können.

Da tut sich jeder schwer, richtig Kohle für locker zu machen. Und außerdem findet sich immer jemand, der den Text für weniger Geld schreibt. Doch für drei Cent pro Wort  gibt es höchstens Groschenromane, keine Bestseller.

Ein weiteres Problem: Die meisten Menschen wollen möglichst schnell und einfach zu ihren Informationen kommen. Gerade im Internet. Da ist es kontraproduktiv, ellenlange Abhandlungen zu schreiben mit allen Informationen, die ein Thema hergibt. Zumal der Trend eindeutig weg vom Desktop und hin zum Tablet oder Smartphone geht. Hier müssen die Texte noch kürzer sein, damit sie von den Lesern als angenehm empfunden werden.

Fazit:
Die Zeiten, in denen sinnlose Texte das Web fluteten, sind meiner Meinung nach vorbei. Alle haben kapiert, dass es nur über gute Inhalte geht. Da hat Google mit seinen Abstrafungen für schlechten Content klasse Arbeit geleistet. In meinen Augen schießen aber viele in ihren Bemühungen, die besten und umfassendsten Inhalte zu präsentieren, weit übers Ziel hinaus. In der Zukunft sind eher kurze Antworten zu konkreten Fragen gewünscht. Insbesondere, wenn sich das mit der Sprachsuche noch weiter etabliert.

Onlineshops als Content-Produzenten

Als ich 2002 bei baumarkt.de anfing, gab es zumindest im Bereich Heimwerken und Hausbau nur wenig Konkurrenz. Wir waren mit unseren Ratgeber-Texten so ziemlich allein auf weiter Flur. Auf ihrem Höhepunkt hatte die Seite fast eine Million Besucher im Monat.

Das Problem von Anfang an: Wie lassen sich die Besucher zu Geld machen?  Lange Zeit wurde das so gehandhabt wie im Printbereich – mit Anzeigen. Später kamen noch zeitgemäßere Werbeformate dazu. Und ein paar Dinge, die kurzfristig Geld brachten, aber auch dafür sorgten, dass es seit Jahren bergab geht. Ich bin jetzt zwar seit fünf Jahren nicht mehr dabei, doch die Sichtbarkeitskurve ist eindeutig.

Während es mit baumarkte.de stetig bergab ging, legten die Seiten von OBI und Hornbach kräftig zu. Daten: Sichtbarkeitsindex von Sistrix

Warum ich das alles schreibe?  Weil ich glaube, dass es die reinen Ratgeber-Seiten in Zukunft immer schwerer haben werden. Sofern nicht ein großer Verlag dahintersteckt, der dort jede Menge Geld reinbuttert.

Die wirklichen Bigplayer in Sachen Content sind immer mehr die Onlineshops. Der Niedergang von baumarkt.de hängt zum Beispiel nicht nur damit zusammen, dass dort viele Fehler gemacht wurden. Er ist auch dadurch zu begründen, dass gerade die Baumärkte wie OBI oder Hornbach jede Menge Power in den Aufbau von Content gesteckt haben.

Davon waren wir 2002 noch weit weg. OBI oder Hornbach hatten gerade mal eine Webpräsenz mit einigen Informationen zum Unternehmen. Später nutzte OBI dann einige Jahre das Baulexikon, das ich größtenteils im Alleingang für meinen damaligen Arbeitgeber aufgebaut habe.

Einen wirklichen Boost in Sachen Sichtbarkeit brachte das allerdings nicht. Schließlich war es nur eine Kopie von dem, was es bereits auf baumarkt.de zu lesen gab. Das änderte sich, als die Baumärkte Onlineshops eröffneten und eigene Content-Abteilungen aufbauten.

Ich weiß nicht, wie viele Texter und Redakteure bei OBI arbeiten. Bei meinem jetzigen Arbeitgeber Reuter sind wir jedoch bereits sechs Schreiberlinge für verschiedene Bereiche des Shops. Und wir sind klein im Vergleich zu OBI. Da kann eine kleine Ratgeber-Seite nur von träumen.

Bei baumarkt.de war ich jahrelang Einzelkämpfer und musste nebenbei noch vier, fünf andere Websites der Agentur redaktionell betreuen. Dazu noch ein, zwei Kundenseiten. Da ist es klar, warum die Onlineshops in Sachen Contenquanität- und qualität so davonziehen.

Fazit:
Wenn Web-Texter eine feste Anstellung suchen, finden wir diese immer häufiger bei großen Onlineshops. Oder bei Content-Agenturen, die diverse Shops mit Inhalten versorgen. Die Zeitungsbranche klammere ich ganz bewusst aus. Dort kann ich ganz schlecht einschätzen, wie der künftige Bedarf an Textern ist, die Online können.