Ich komme gerade wieder vom SEO-Day in Köln zurück. Einen Tag finden auf drei Bühnen Vorträge rund ums Thema SEO statt. Und immer wieder lief es wieder auf eines hinaus: Inhalte werden heutzutage nicht mehr aus dem Bauch heraus erstellt, sondern sind ein Ergebnis knallharter und ausführlicher Analyse. Der Fachmann spricht hier von datengetriebenem Content. Ich als Online-Redakteur alter Schule weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Irgendwie fehlt es mir hier an Individualität. Doch fangen wir ganz von vorne an.

Daten sind härteste Währung im Internetbusiness

Nichts ist wichtiger im Internet als Daten. Wer sie besitzt, hat die Macht. Denn wer alles über den weiß, der gerade seine Tour durchs Netz macht, kann ihm genau das anbieten, was er sich schon immer gewünscht hat. Google weiß zum Beispiel recht genau, was Dich bewegt. Und kann Dir anhand Deines Surfverhaltens genau auf Deine Bedürfnisse abgestimmte Inhalte anbieten, wenn Du die Google-Suche benutzen. Denn die Zeiten, in denen alle die gleichen Suchergebnisse angezeigt bekamen, sind längst vorbei.

Alle, die etwas übers Web verkaufen – seien es Produkte oder Informationen – möchten ebenfalls möglichst viel über ihre Kunden erfahren. Und so wird genau getrackt, was die Besucher auf der Website machen. Wie sie sich durch die Seiten bewegen, wann sie die Seite verlassen und wie lange sie auf einer Seite verweilen. Und noch vieles mehr Daten erhält der Seitenbetreiber zudem über diverse Seotools oder die Google-eigenen Tools wie Google Analytics und die Search Console.

Weitere Datenquelle sind:

  • Newsletter
  • Social-Media-Kanäle

Ich nutze für die Erstellung meiner Inhalte verschiedene Tools, die das Nutzerbedürfnis zu einem Teil abbilden. Wichtig ist zum Beispiel zu wissen, wie häufig ein Begriff monatlich bei Google eingegeben wird. Nun werden Ein-Wort-Suchanfragen immer seltener. Außerdem solltest Du mit einem Text niemals nur ein Keyword, sondern ein Thema abdecken. Hier ist es dann wichtig zu wissen, welche Suchbegriffe im Zusammenhang mit einem Begriff noch bei Google eingegeben und welche Fragen gestellt werden. Mein Lieblingstool hierzu ist answerthepublic.com.

Quintessenz: Daten über die Kunden gibt es in jedem Unternehmen mehr als genug. Jedoch nur wenige verstehen sie zu lesen und Inhalte zu produzieren, die sich mit den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden beschäftigen.

Zielgruppe ist wichtig, Bedürfnisse sind wichtiger

Die meisten wissen zumindest grob, wer ihre Zielgruppe ist. Du weißt es nicht? Dann solltest Du es unbedingt nachholen. Doch das ist lediglich die Grundvoraussetzung, um passende Inhalte zu produzieren und die passende Sprache zu wählen. Um aber wirklich erfolgreich zu verkaufen musst Du noch viel weiter gehen: Du musst die Bedürfnisse Deiner Kunden kennen und wissen, was einen User dazu bewegt, Dein Angebot in Anspruch zu nehmen. Hier ist beim Texter neben Schreibwissen noch jede Menge Psychologie gefragt. Die User-Psychologie besteht aus diesen vier Aspekten:

  • Absicht
  • Erwartung
  • Bedürfnis
  • Anziehung

Ein User kommt mit einer bestimmten Absicht auf Deine Seite. Meist will er sich informieren oder etwas kaufen. Entsprechend müssen die Inhalte aufbereitet sein. Infosuchende erwarten fachlich,  detaillierte Informationen. Besucher mit Kaufabsicht mögen nicht so viel lesen, hier sollte der Text emotionaler und kürzer sein.

Tipp: Wenn Du nicht genau weißt, ob das Thema, über das Du schreiben möchtest eher informationell oder transaktional ist, schaue Dir die erste Seite der Suchergebnisse an. Finden sich dort vorwiegend Shops, sind transaktionale Texte gefragt, ansonsten informationelle. Manchmal lässt sich das nicht so genau sagen, dann musst Du es ausprobieren.

Ganz eng mit der Absicht ist die Erwartung verknüpft. Hier fließen noch Aspekte wie Bildungsgrad, Vorstellungen, Erfahrungen und Interessen mit ein. Das sind alles Dinge, die sich mit dem Sammeln von Daten recht gut ermitteln lassen.

Nun geht es im nächsten Schritt darum, das Bedürfnis der Kunden stillen. Das ist wohl der schwierigste Part für einen Redakteur. Denn hier müssen Kopf und Bauch des Lesenden gleichermaßen zufrieden gestellt werden. Erst wenn die kognitiven Erwartungen erfüllt sind und er sich auch emotional angesprochen fühlt, waren Sie als Texter erfolgreich.

Zum erfolgreichen Abschluss kommt es dann, wenn der Leser oder Käufer die Inhalte anziehend findet. Der Content muss die Absicht und Erwartung erfüllen sowie die Bedürfnisse stillen. Sie sehen – gute Texter sind stets auch kleine Psychologen.

Warum datengetriebener Content nicht alles ist

Wenn ich mir anschaue, welche Tools es mittlerweile auf dem Markt gibt, um die Erstellung von datengetriebenen Inhalten zu vereinfachen, muss ich ziemlich schlucken.

Mit der Searchmetrics Content Experience lässt sich zum Beispiel der gesamte Arbeitsablauf bei der Contenterstellung abbilden. Das fängt bei der Themenrecherche an, geht weiter mit dem Briefing bis hin zum Schreiben des Beitrags in einem speziellen Editor. Der gibt in Echtzeit an, welche Begriffe für einen optimalen Beitrag noch fehlen oder welche Keywords bereits zu oft erwähnt wurden.

Das mag auf den ersten Blick eine ziemliche Erleichterung sein. Doch ist es jedoch so, dass die Searchmetrics Software von allen großen Playern im Onlinebusiness genutzt wird. Sofern sie aus der gleichen Branche sind, behandeln sie die gleichen Themen und Keywords. Da besteht dann die Gefahr, dass so eine Art gleichgeschalteter Content produziert wird.

Das widerspricht dem, was heutzutage bei den Inhalten gefordert wird: Sie müssen einzigartig sein und mehr bieten als die Konkurrenz. Das wird schwierig, wenn Du den Kopf abschaltest und die Maschine machen lässt. Die Individualität bleibt dann völlig auf der Strecke. Bei mir spielt das Bauchgefühl daher immer noch eine Rolle – auch wenn es kleiner im Vergleich zu früher geworden ist.