Jahrelang war es den SEOs ziemlich egal, was sie auf den Bildschirm zauberten. Hauptsache schnell und einfach zu erstklassigen Rankings. Da war für tollen Content einfach keine Zeit. Einige Google-Updates später sieht alles ganz anders aus. Die SEO-Gemeinde muss sich intensiv mit den Inhalten beschäftigen und glaubt etwas ganz Tolles und Neues aus dem Hut gezaubert zu haben: Holistischer Content. Schauen wir einmal, was daran wirklich innovativ ist.

Was bedeutet holistisch?

Holismus ist ein Begriff, der sich irgendwo zwischen Wissenschaft und Philosophie bewegt. Er bedeutet übersetzt „Ganzheitslehre“ und vertritt die Auffassung, dass ein System als Ganzes funktioniert und mehr ist als nur das Zusammensetzen einzelner Teile. Holistische Ansätze finden sich nicht nur hinsichtlich der Sprachwissenschaft, sondern auf vielen anderen Gebieten wie Soziologie,  Biologie, Pädagogik, Medizin oder Ökonomie.

Der Begriff „Holismus“ wurde vom Südafrikaner Jan Christaan Smuts geprägt, der zwischen 1870 und 1950 lebte. Ganzheitliche Betrachtungsweisen sind jedoch bereits wesentlich älter und sind sogar in verschiedenen Weltreligionen zu finden. Wenn jetzt holistische Inhalte als etwas völlig Abgedrehtes und Neuartiges gepriesen werden, ist das daher nicht so ganz richtig. Aus SEO-Sicht natürlich schon, galt hier doch bislang eher das entgegengesetzte Prinzip des Atomismus.

Warum ganzheitlich?

Die Abkehr der SEO-Branche von Keyword-dominierten Texten hängt ganz eng mit dem Google-Update namens Hummingbird zusammen. Der Such-Algorithmus ist seitdem in der Lage, die Absicht einer Suchanfrage besser zu verstehen als zuvor. Zusammen mit RankBrain ist Google jetzt in der Lage, ähnlich formulierte Suchanfragen mit der gleichen Suchintention zu erkennen. Vorher kannte die Suchmaschine nur Wörter oder Wortkombinationen. Und so sahen dann auch die Texte aus. Warum sollte man sich auch mehr Arbeit machen als unbedingt nötig? So die Meinung vieler Suchmaschinenexperten.

Die neue semantische Suche führte zu einem Umdenken in der Branche. Seitdem werden immer mehr SEOs zu Sprachwissenschaftlern und versuchen der Welt zu erklären, wie guter Content funktioniert.  Dabei machen (gute) Redakteure dies seit vielen Jahren. Anstatt sinnfreie Sätze und Keywords aneinanderzureihen, versuchen sie ein Thema von verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und einen Zusammenhang herzustellen.

Alles hat seine Zeit?

Vor einigen Tagen habe ich mich in einem Facebook-Forum mit einem bekannten SEO-Guru unterhalten. Er bietet neuerdings Holistik-Seminare an. Früher war er ganz anders drauf, eher so mit der groben Axt unterwegs. In der Grauzone zwischen Gut und Böse. Ich meinte zu ihm, dass das mit den holistischen Inhalten nicht wirklich was Neues sei. Wir Redakteure arbeiten bereits seit vielen Jahren erfolgreich so.

Er wollte mir nicht glauben. Er meinte, dass jede Methode seine Zeit habe. Früher wären es eben Russenlinks und Keywordstuffing gewesen, heute sind es holistische Inhalte. Das mag aus Sicht eines SEOs, der nur Platzierungen im Kopf hat, natürlich stimmen. Der schwenkt auch ganz schnell wieder in eine andere Richtung, wenn sich auf andere Weise schneller gute Platzierungen einstellen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ganzheitliche Inhalte schon immer Erfolg hatten und immer Erfolg haben werden. Sie sind nur aufwendig zu erstellen.

Gibt es Grenzen?

Das Bestreben, ganzheitliche Inhalte zu erstellen, kann ziemlich ausufern. Das merke ich häufig selbst. Bevor ein Text mehrere tausend Wörter erreicht, bremse ich mich ein und überlege, was wirklich zu dem Thema wichtig ist. Das entscheide ich dann von Fall zu Fall. Zum Beispiel, ob ich in einem Shopumfeld unterwegs sind oder auf einer Ratgeberseite. Häufig streiche ich am Ende sogar noch etwas weg.

Nehmen wir zum Beispiel den Begriff „Badezimmer“. Mit ihm lassen sich ganze Bücher füllen, so umfangreich ist das Thema. Hier den holistischen Ansatz zu fahren, ist ein mutiges Unterfangen. Da ist es sicherlich besser, hieraus verschiedene kleinere Themen zu formulieren, zum Beispiel „Badezimmer renovieren“, „Badezimmer planen“, „kleines Badezimmer“ oder „behindertengerechtes Badezimmer“.

Fazit

Es ist schön, dass es in der Seobranche in Richtung ganzheitlicher Inhalte geht. Es ist jedoch nicht so, dass dies eine ganz neue Erfindung ist. Holistischer Content hat früher funktioniert, funktioniert heute und wahrscheinlich auch in Zukunft. Es wird interessant zu beobachten sein, ob es für SEO nur ein kurzfristiger Hype bleibt oder ob es zu einem festen Bestandteil der Seodenke wird.